Terrier Jack kratzt an der Tür, erst winselt er, dann jault er und dann fängt er an zu bellen. Die Nachbarn beschweren sich schon. Und Frauchen kommt mit einem mulmigen Gefühl nach Hause zurück. Was wird er dieses Mal zerstört haben? Das Sofakissen oder die Hausschuhe?
Viele Hunde leiden unter massiver Trennungsangst. Verlässt sie ihr Mensch, um kurz einkaufen zu gehen oder für den Arztbesuch, bereitet ihnen das massiven Stress. Sie können und wollen nicht alleine bleiben. An sich ist das kein Wunder, schließlich sind Hunde hochsoziale Tiere, die eine enge Bindung zu ihren Bezugspersonen aufbauen. Trennungsangst stellt dann die emotionale Reaktion auf den Verlust dieses Partners dar.
Wie der Hund auf die Trennung reagiert, ist dabei unterschiedlich. Manche ziehen sich in ihr Körbchen oder auf ihre Decke zurück und schlafen: So soll es sein. Andere schauen ihrem Herrchen nur hinterher. Wieder andere starten nach der Rückkehr eine Dauerverfolgung und hängen ihrem Menschen nur noch an den Fersen. Jack dagegen ist so gestresst, dass er die Wohnungseinrichtung zerlegt.
Trennungsangst stresst Mensch wie Tier. Dem Hund muss also geholfen werden, sie zu überwinden. Das ist allerdings nicht immer so leicht und erfordert ein konsequentes und strukturiertes Training. Ideal ist, schon den Welpen schrittweise daran zu gewöhnen, dass er alleine bleiben kann. Ist der Hund älter, wird es schwieriger.
Wir geben Tipps, wie eine Gewöhnung an das Alleinsein aussehen kann.
Training in kleinen Schritten
Trainiert man das Alleinsein bereits im Welpenalter, entsteht Trennungsangst meistens erst gar nicht. Das Vorgehen ist auch bei einem älteren Hund das Gleiche – allerdings wird man hier kleinschrittiger vorgehen müssen, wenn die Angst bereits tief sitzt.
Der erste Schritt ist eine Trennung von nur wenigen Sekunden. Man verlässt den Raum, schließt die Tür und öffnet sie gleich wieder. Diese Phasen werden dann Schritt für Schritt ausgedehnt. Die Voraussetzung dafür ist, dass die kurze Trennung dem Hund keine Probleme bereitete. Wichtig ist: keine Kontinuität! Steigt die Zeit des Alleinseins regelmäßig, beginnt der Hund zu verstehen, dass sein Frauchen immer länger wegbleibt. So entsteht dann doch wieder Angst. Deswegen müssen die Zeiten der Trennung immer wieder variiert werden. Klappt das im Haus, verlässt man es im nächsten Schritt.
Um das Training zu unterstützen, sollte der Mensch für den Hund auch im Alltag nicht immer greifbar sein. Man kann den Hund also immer mal wieder ignorieren und nicht auf jeden seiner Interaktionen sofort reagieren. Ist man immer für den Hund da, versteht er erst recht nicht, wenn auf einmal die Tür vor seiner Nase zu geht und Frauchen einfach verschwindet.
Das Training lässt sich unkompliziert in den Alltag einbauen. Die Länge und Frequenz hängen dabei ganz vom Hund ab.
Schlüsselreize bewusst einsetzen
Die Straßenschuhe anziehen, die Handtasche zur Tür bringen, in die Jacke schlüpfen: Bevor Frauchen oder Herrchen das Haus verlassen, wiederholen sich immer die gleichen Abläufe. Für den Hund stellen sie Schlüsselreize dar – er kann darauf bereits mit Stress reagieren, da er weiß, dass diese Verhaltensweisen seinem Zurückbleiben vorausgehen. Ein Teil des Trainings besteht also darin, diese Reize in den Alltag einzubauen und die Antizipation des Hundes zu unterbrechen. Jacks Frauchen nimmt deswegen ihre Handtasche mit auf die Toilette und zieht sich die Jacke beim Kaffeekochen an. Oder sie zieht sich komplett für das Ausgehen an und kehrt dann in die Wohnung zurück. Der Hund lernt, dass seine Befürchtungen so nicht eintreten. Die Signale für das Ausgehen verlieren ihren Schrecken.
Unaufgeregtheit
Wichtig ist, dass sowohl das Gehen als auch das Wiederkommen entspannt und ruhig ausfallen. Die Trennung soll zu etwas Selbstverständlichem werden, dem keine extra Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Eine emotionale Verabschiedung und Begrüßung finden deswegen nicht statt.
Jacks Frauchen lobt ihn nicht, wenn sie wieder zurückkommt. Sonst würde im Terrier zum einen eine Erwartungshaltung wachsen: Er bezieht das Verlassen werden auf sich und erwartet Bespaßung, sobald sein Mensch wiederkommt. Zum anderen lenkt Loben und Ansprechen die Aufmerksamkeit des Hundes auf das Alleinsein und macht es zu einer besonderen Situation – dem Gegenteil von dem, was man erreichen will. Jacks Frauchen sagt ihrem Vierbeiner zum Abschied immer den gleichen Satz „Bis gleich“. So entsteht eine Routine.
Spielzeug und Kong
Das Lieblingsspielzeug, ein leckerer Kauartikel oder ein gut gefüllter Kong können den Hund über den Trennungsschmerz trösten und ihn beschäftigen und ablenken. Besonders die Lieblingsleckerlis im Kong sind attraktiv. Es ist übrigens erwiesen, dass der Hund durch das Schlecken und Kauen Stress abbaut.
Auslastung
Ideal ist es, wenn der Hund vor dem Training ausgelastet ist. Jack ist nach einem ausgiebigen Spaziergang müde – er will in sein Körbchen und erstmal eine Runde schlafen. Auf diese Weise regt ihn die Trennung nicht mehr ganz so sehr auf, da er andere Bedürfnisse befriedigen will.
Rückzugsort
Hat der Hund einen sicheren Rückzugsort, fällt das Alleinsein nochmal leichter. Jacks Frauchen hat ihm ein Schlafkörbchen in das Wohnzimmer gestellt. Dort kann der Rüde bequem auf ihre Rückkehr warten. Ein solches Rückzugzimmer hat außerdem dem Vorteil, dass nur ein einziger Raum hundesicher sein muss. Denn gerade hochgestresste Hunde können Stromkabel, Schuhe oder andere Gegenstände annagen.
Den Hund nicht alleine lassen
Damit das Training gelingt, ist es wichtig, dass der Hund abseits der Übungssessions tatsächlich nicht allein gelassen wird. Wenn das Alleinbleiben zuerst kleinschrittig geübt wird und Frauchen dann doch auf einmal lange wegbleibt, weil sie Überstunden abarbeiten musste, sabotiert das das gesamte Training. Der Hund wird in alte Muster zurückfallen und der Fortschritt ist dahin.
Spicken mit der Kamera
Wie verhält sich Jack, wenn Frauchen nicht zuhause ist? Was macht er genau? Eine Videokamera kann Licht ins Dunkel bringen und zeigen, warum der Hund keine Ruhe findet und was er in der Abwesenheit des Menschen alles unternimmt. Anhand des Verhaltens lässt sich auch recht sicher bestimmen, ob der Vierbeiner an echter Trennungsangst leidet oder unter Kontrollverlust.
Das hört sich alles sehr logisch an. Bis jetzt hat das Vorgehen aber nichts genützt. Meine 7,5 Monate alte Malteser Hündin verfolgt mich auf Schritt und Tritt, ist immer dort, wo ich bin. Ich kann nicht einmal eine Mülltüte raus bringen. Sie bellt sofort lauthals und hört erst auf, wenn ich wieder im Haus bin.
Das Training erfordert Geduld und Konsequenz. Wir neigen leider dazu, den Hund beruhigen zu wollen, wenn wir wieder rein kommen. Schon Blickkontakt gilt hier als Aufmerksamkeit. Ganz kleine Schritte und eben die nötige Konsequenz führen zum Ziel. Dazu gehört leider auch, dass wir den Hund ignorieren sollten, wenn wir wieder rein kommen. Das tut weh, soll aber dazu führen, dass unser Weggehen zur Normalität gehört ebenso wie das Zurückkommen.