Ich bin ziemlich realistisch – ich selbst bin auch nicht perfekt. Warum sollte dann mein Hund fehlerfrei und problemlos sein?
Wir alle haben gewisse Erwartungen an unsere Freunde, Familienmitglieder – ja sogar an unsere Haustiere. Wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden entstehen oft Probleme. Die beste Lösung dafür ist, zu kommunizieren. Aber wenn schon die Kommunikation unter uns Menschen manchmal schwierig ist – wie soll es denn erst mit einem Hund klappen? Kein Wunder, dass sich dann sowohl Hundebesitzer als auch Hund missverstanden fühlen, frustriert und völlig irritiert sind.
Manchmal kommt es dann sogar zu einer Trennung. Der Hund wird abgegeben – entweder in eine andere Familie oder ins Tierheim. Auch wenn es vielleicht traurig klingt: In einigen Fällen ist das sogar am sinnvollsten. Aber wie gut, dass es auch Menschen gibt, die solch einem „Problemhund“ eine zweite Chance geben.
Ein Problemhund zieht ein
Meine Freundin Julia ist so ein Mensch. Sie ist von klein auf mit Tieren aufgewachsen und hat nie genug von Hunden und Katzen haben können. Ihr Freund und sie haben bereits zwei Katzen und zwei Collies. Die beiden Hunde sind wohlerzogen, intelligent und wissen, wie man sich im Büro richtig verhält. Sogar ins Café kann man sie mitnehmen, ohne dass man sich für sie schämen muss. Und selbst mit den beiden Katzen vertragen sie sich. Die beiden Collies sind also das genaue Gegenteil von einem Problemhund.
Dann kam Julia auf die Idee, eine Pflegehündin mit in ihre harmonische Familie aufzunehmen. Nancy ist ein Windhund-Mix und kommt aus Spanien. Dort drohte der kleinen, abgemagerten Hündin, die sich lange Zeit von Abfällen ernährt hat, der sichere Tod. Mit Hilfe einer Tierschutzorganisation holte Julia den kleinen Wirbelwind nach Hamburg.
Kleiner Körper, großes Temperament
Kurz nach Nancys Ankunft wurde Julia klar: In diesem zierlichen Hund steckt ganz viel Power. Besonders an der Leine zeigte sich ihr großes Temperament. Für sie kam nur ein breites Windhundhalsband oder ein robustes Geschirr für kleine Windhunde in Frage. Allerdings musste sich Nancy daran gewöhnen und wehrte sich erstmal heftig dagegen.
Eingewöhnungsphase der temperamentvollen Spanierin
Das Zusammenleben mit den beiden größeren Collies begeisterte Nancy zuerst gar nicht. Immer wieder versuchte die Kleine ihren Platz in der schon festen Rudelstruktur zu erobern und wurde schnell auf ihren Platz zurückgewiesen. An ihre neue Rudelführerin Julia gewöhnte sich Nancy schnell und auch deren Freund Thomas akzeptierte Nancy nach und nach. Doch die beiden Kater jagte Nancy zu Beginn bei jeder Gelegenheit durchs Haus. Es war ja schließlich auch eine Frechheit, dass die beiden Katzen sich so benahmen, als ob sie der Herr im Hause wären! Doch als die kalte Jahreszeit begann, entdeckte Nancy welchen unschlagbaren Vorteil die beiden Kater bieten: Als Norwegische Waldkater haben sie ein viel dickeres Fell als die kleine Spanierin und sind so eine kuschelige Wärmflasche in kühlen Nächten. Vor allem, da die Collies Nancy nicht mit in Ihrem gemütlichen Hundebett schlafen ließen.
Abkühlung gefällig?
Apropos kühlere Nächte: Mit den Hamburger Temperaturen kam Nancy überhaupt nicht klar. Doch ein kuscheliges Hundebett, eine Wärmeflasche und ein gemütlicher Hundeschlafsack sorgten dafür, dass die kleine Frostbeule sich zuhause wohlfühlte. Für draußen hatte Nancy einen warmen Windhundmantel. Zuerst war er zwar etwas ungewohnt für Nancy, aber er schützt sie sicher vor Kälte, und irgendwann hatte sie sich daran gewöhnt. Ähnlich wie bei den Katern.
Harte Arbeit wird gerade bei Problemhunden belohnt
Nancys Erziehung ist und war keine einfache Sache. Trotz solider Hundeerfahrung fühlte sich Julia manchmal damit überfordert. Doch das Wort „aufgeben“ gibt es für Julia nicht. Selbst nach kleineren Desastern hat sie fleißig weiter an der Erziehung von Nancy gearbeitet – neben der Erziehung der beiden Collies, der beiden Kater und ihres Freundes Thomas!
Tipps für die Erziehung von Problemhunden:
1. Clickern und belohnen für jede Kleinigkeit. Wenn Nancy ein erwünschtes Verhalten zeigte, hat Julia direkt geclickert und belohnt. Sie sollten davor am besten aber ein kleines Clicker-Training absolvieren.
2. Tricks beibringen: Nancy bekam, wie viele andere Straßenhunde, nie genug von Leckerlies und lernte für ein Stück Leberwurst unzählige Tricks. Solche Tricks sehen nicht nur witzig aus, sondern helfen auch bei dem weiteren Training. Nancy hat dadurch gelernt, Julia zu vertrauen und Julia hat dadurch Nancy besser kennen gelernt.
3. Langsam an neue Situationen gewöhnen: Viele Situationen waren für den sensiblen Windhund neu. Nach und nach konnte sie nicht nur die Hunde in ihrem Haushalt akzeptieren, sondern auch fremde Hunde und andere Menschen im Büro.
4. Wenn es nötig ist: Maulkorb aufsetzten. Im Büro und Zuhause, wo Nancy alles vertraut war, konnte sie sich entspannen. Doch draußen wurde jeder Hund von ihr angebellt und angesprungen. Das kann sowohl für die anderen Hunde, als auch für Nancy selbst gefährlich werden. Zur Sicherheit bekam sie deshalb einen passgenauen Maulkorb, den sie aber zum Glück nur in Ausnahmefällen tragen musste.
5. Immer an der Leine. Zwar würde Nancy Ihre neue Familie nie freiwillig verlassen, doch in einem Park kann Julia sie leider trotzdem nicht von der Leine nehmen. Zum einen weil sie jemanden, der sich ihr unvorsichtig nähert, beißen könnte. Zum anderen könnte sie weglaufen oder, was noch schlimmer wäre, unter ein Auto geraten. Eine Schleppleine ist ideal, um Nancy etwas mehr Freiheit zu gewähren und sie trotzdem sicher an der Leine zu haben.
Ganz problemlos bleibt Nancy leider nicht. Das erschwert auch ihre Vermittlungschancen – aber Nancy hat schon viel dazu gelernt und es geht ihr weitaus besser als auf der Straße in Spanien.
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